In der Zwillings-Folge zur Nummer 67 ignorieren wir endlich mal vollumfänglich Westdeutschland. Wie ging es jenseits des »antifaschistischen Schutzwalls« zu und was las man dort gerne?
Der Büchermarkt war verblüffend vielfältig – von gelenkter Pionier-Romantik bis in die »literarische Eiszeit«, über weibliches Schreiben zwischen Fließband und radikaler Subjektivität, bis hin zu Kinderbüchern, die v.a. kritische Botschaften an die Erwachsenen enthielten, eroberten sich die Autor*innen im Osten ihre Nischen.
Kann man das heute noch mit Schüler*innen lesen…?
Wenn ihr noch mehr zum Thema DDR und Ostdeutschland hören wollt, empfehlen wir diese Podcast-Folgen von WRINT:
➡️ Hier spricht Politikwissenschaftler Michael Lühmann über seine Jugend in Ostdeutschland und seine Forschung und Politik-Karriere dort
➡️Hier erzählt Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk über sein Buch »Freiheitsschock« und warum Ost und West wohl immer etwas verschieden bleiben werden
Wir müssen uns gegenseitig zuhören! 💪🏻
»Hüseyin, […] wie kannst du ausgerechnet jetzt an einem Herzinfarkt sterben und alles verpassen, was sich hier in dieser Wohnung abspielen wird, in deiner Wohnung?«
Ist dies der letzte Gedanke eines türkischen »Gastarbeiters«, der nur Tage vor seinem 60. Geburtstag und dem wohlverdienten Ruhestand in der wunderbaren Wohnung in Istanbul stirbt, für die er ein Leben lang gearbeitet hat? Oder verhöhnt den sterbenden Hüseyin ein Dschinn, der sich nun seiner Familie annehmen wird?
In Fatma Aydemirs (https://www.instagram.com/fatmaaydemir) Roman blicken wir durch die Augen seiner verbitterten Frau Emine, seiner ehrgeizigen Töchter Sevda und Peri und seiner schwankenden Söhne Hakan und Ümit. Sie alle versammeln sich für die Beerdigung ihres Babas und begegnen dabei ihren eigenen Dschinns – den quälenden Gewissheiten im Hinterkopf und jahrelang totgeschwiegenen Rissen in der Familie. Eine Sternstunde der Empathie!
Unsere Laberfach-Crew ist beeindruckt von diesem Werk, genauso wie Tubâ vom »Emporkömmlinge«-Podcast (https://open.spotify.com/show/7raAkbB5RClUUjdQTHP6bX?si=db39496135da4b72). Vielen Dank für deine Expertise als Historikerin und Perspektiven aus deiner eigenen Vita in dieser Folge!
Wir sind also restlos begeistert – doch wären Schüler*innen im Unterricht es auch…?
Tubâ und Eddy sind »Die Emporkömmlinge« (https://open.spotify.com/show/7raAkbB5RClUUjdQTHP6bX?si=8ebd04687270478f): In ihrem Podcast quatschen sie, allein oder mit anderen Expertinnen, z.B. über Rassismuskritik, unfaire Gesellschaftsstrukturen, die Reflektion unserer Kolonialvergangenheit oder ganz generell über das Leben als BIPoC in Deutschland. Dabei haben sie auch immer die Schule im Blick: Die beiden sind nämlich auch (Geschichts-)Lehrerinnen – nur ein Grund, weshalb sie beim »Laberfach« herzlich willkommen sind!
In unserem kleinen Crossover quatschen wir über Literatur mit Migrationsgeschichte – im doppelten Sinne. Welche Werke würden unserem weiß dominierten Kanon mal guttun? Welche Perspektiven spielen im Unterricht zu selten eine Rolle? Und mit welchen Büchern kann man Brücken zwischen Schüler*innen mit und ohne internationalen Wurzeln bauen?
Wir danken Tubâ und Eddy für das wirklich wunderschöne Gespräch! Hört auch mal bei den beiden im Podcast rein!
Stress im Hause Moor: Während der Zweitgeborene Franz seinen Vater gaslightet und die Verlobte seines Bruders Karl begrapscht, feiert der sein Studentenleben und gründet in der Kneipe spontan eine Räuberbande. Beide Lebensentwürfe klingen nicht sonderlich vielversprechend. Immerhin gibt es da noch Amalia: Die einzige Figur in diesem Stück, die a) weiblich und b) unfassbar schlagfertig ist (Pun intended).
Friedrich Schillers erstes Drama „Die Räuber“ gehört seit über 200 Jahren zum festen Standard in Theater-Spiel- und Schul-Lehrplänen – obwohl selbst Literaturkritiker-Papst Marcel Reich-Ranicki das Stück als „unrealistisch“, „Kitsch“ und „Trivialliteratur“ betitelte. Warum ist Hannah dann so hooked und auch die restliche Crew so ausgelassen?
Kommt mit uns in die böhmischen Wälder und findet es heraus! 🙂
»Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.«
Von wem genau, mit welcher Befugnis und v.a.: warum ihm überhaupt der Prozess gemacht wird, das können wir euch auch nach 200 Seiten Roman so wenig beantworten wie Josef selbst. Dafür weiß offenbar die komplette Stadt Bescheid: Der Herr K. hat ein Verfahren am Hals! Sowas geht nie gut aus…
Bei diesem Kafka-Roman ist schon der Titel völlig unklar (»Der Prozeß«? »Der Process«? »Der Proceß«?). Ob dessen Protagonist ein Opfer von Korruption ist, regelmäßig in ein stickiges Paralleluniversum abdriftet oder vor lauter Schuld- und Schamgefühlen langsam wahnsinnig wird, darüber streiten die Germanist*innen seit ziemlich genau einem Jahrhundert.
Wir wünschen viel Vergnügen auf diesem irren Trip!