Als Wolfgang Borchert mit nur 26 Jahren starb, hatte er schon alles hinter sich: Diverse Gefängnisaufenthalte wegen zu lauter Kritik am Nazi-Regime, mehrere Kriegseinsätze an der Ostfront und eine Autorenkarriere, die gerade deutschlandweit durch die Decke ging. Noch auf dem Krankenbett schrieb er wie ein Berserker an Kurzgeschichten, um sie der Welt zu hinterlassen und damit unabsichtlich den Deutschunterricht auf Dekaden zu prägen.
Wir haben uns zwei Evergreen-Texte und auch ein paar B-Seiten ausgesucht, um über diesen beeindruckenden Autor zu quatschen. Und wie schon bei »Im Westen nichts Neues« muss unsere Crew bei den schonungslosen Beschreibungen von Kriegsfolgen und all dem, was dort nicht steht, ganz schön schlucken.
Wieder einmal keine einfache Folge, aber wir wünschen viel Freude dabei!
„Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch.“
(Theodor W. Adorno)
Weltkrieg, Shoah, Holocaust – wer den Horror des Nazi-Regimes 1933-1945 überlebt hat, hatte Unbeschreibliches durchgemacht. Wie findet man danach noch jemals in ein normales Leben zurück? Und wie bringt man es fertig, jemals wieder einen Stift in die Hand zu nehmen und zu schreiben?
Eine neue Generation junger Autor*innen hat es getan, um das Unaussprechliche in Buchstaben zu bannen, das von den Nazis missbrauchte Deutsch zu zertrümmern und sich selbst zu beweisen, dass es immer weitergeht.
Keine einfache Folge! Wir freuen uns sehr, dass zwei ehemalige Schüler*innen von Stefan bei der Folger zur »Trümmerliteratur« auf jeden Fall dabei sein wollten. Unsere Julia (Gesang) und Fandi (Klavier) haben außerdem die Worte einer jüdischen Autorin zum Klingen gebracht, die die Mordmaschinerie des NS-Regimes nicht überlebt hat. Vielen Dank euch allen!
Kein Vergessen!
KRIEG IST FRIEDEN!
FREIHEIT IST SKLAVEREI!
UNWISSENHEIT IST STÄRKE!
Es gibt wohl kaum einen Roman, der aktuell so häufig zitiert wird wie George Orwells »1984« – meistens völlig sinnentstellend aus dem Zusammenhang gerissen von rechten Vollpfosten, die das Buch nicht gelesen und/oder verstanden haben…
Aber das kann man Orwells unfassbar hellsichtiger Ur-Dystopie von 1948 nicht vorwerfen, in der ein vorgeblich linker Terrorstaat mit 24/7-Totalüberwachung, Sprachkontrolle und staatlichen Folterkellern die Menschheit knechtet. Was kann man in einer Welt noch glauben, in der Gedanken schon Verbrechen sind?
Das Buch der Stunde also für aktuelle Lehrpläne…?
Neben Heinrich von Kleists Scherbenhaufen aus der letzten Episode der zweite Neuzugang im Abitur-Programm von BaWü und NRW: Jenny Erpenbecks »Heimsuchung«.
Positiv ausgedrückt ist der Roman sehr modern geschrieben: Die Geschichte über ein Häuschen in Brandenburg wird wahlweise rückwärts, kreisförmig, manchmal mehrfach aus verschiedenen Blickwinkeln oder völlig durcheinander, auf jeden Fall aber von 13 (!) verschiedenen Erzählern geschildert. Legt vor dem Lesen also auf jeden Fall die Flipchart und die rote Wolle kalt…
Caro, Julia, Hannah und Stefan diskutieren in dieser Folge sehr kontrovers: Ist das Kunst oder kann das weg…?
Das Hoftheater in Weimar im Jahr 1808: Unter der Regie von Goethe himself endet die Uraufführung von Heinrich von Kleists neuer Komödie »Der zerbrochene Krug« in einer Vollkatastrophe: Das Finale des Stückes geht in den Buhrufen des genervten Publikums unter, die Zeitungsrezensionen (u.a. von Ludwig Tieck, Theodor Fontane und Wilhelm Grimm) sind absolut vernichtend und auch Kleist ist sofort klar: Der »Krug« war das Ende seiner Autoren-Karriere.
Schlanke 216 Jahre später beschließen die Kultusministerien von Hamburg, NRW und BaWü, dass dieses hochliterarische Meisterwerk ALLE künftigen Abiturient:innen gelesen haben müssen!
Wir haben Kleists Komödie über einen unfähigen Richter und eine streitlustige Dorf-Nachbarschaft für euch gelesen und fragen wie immer: Gehört sowas in den Lehrplan…?